Rallye –
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Rallye WM
Ergebnisse 81 - 86

Das Ende
des Phantoms

Ein komprimierter Rückblick

Die Geschichte des Audi quattro im Rallyesport

Es war Ende der 70 er, der Rallyesport war dominiert von Heckschleudern wie Lancia Stratos, Opel Ascona, Fiat und Renault Alpine, da machten sich Ferdinand Piech und Jörg Bensinger Gedanken, wie man die Übertragung der damals schon gewaltigen Leistungen auf Asphalt und Schotter noch verbessern könnte.

Die Idee des Allrad's war nicht neu, jedoch an eine Serienproduktion von solcherart angetriebenen Straßenfahrzeugen wagte scheinbar keiner zu denken. Und so kam es, dass ein VW Iltis, ein kleines vierradgetriebenes Geländespielzeug, zum Vorreiter einer heute im Automobilbau nicht mehr wegzudenkenden Antriebsvariante wurde. Zwischen März '77 und März '80 entwickelte Audi eines der revolutionärsten Fahrzeuge des Jahrhunderts. Die ersten Tests mit Iltis Fahrwerk und 200'er Turbomotor in einem Audi 80 waren so erfolgreich, dass der Vorstand sehr schnell grünes Licht für den „urquattro” gab. Eine so kurze Entwicklungszeit war nur möglich, da die Ingenieure viele Teile vom Audi 80, 100 und 200 verwenden konnten.

Nach der Vorstellung des urquattros auf dem Genfer Autosalon im Frühjahr 1980 kam der erste öffentliche Auftritt eines Rallye-Quattro's Ende Oktober des Jahres, wo der Wagen mit Hannu Mikkola und Arne Hertz als Vorausauto bei einem Rallye - Europameisterschaftslauf in Portugal eingesetzt wurde. Mit 24 Bestzeiten auf 30 Sonder-Prüfungen und über 20 Minuten Vorsprung auf den Sieger konnte man die Probe als gelungen bezeichnen.

Am 1. Jänner 1981 wurde der Audi quattro von der FIA in Gruppe 4 unter der Nummer 673 homologiert.

Acht Tage später zelebrierte Franz Wittmann den offiziellen Auftakt mit dem Werks-Quattro IN-NV 90 bei der 12. Internationalen Jännerrallye und sorgte für einen unglaublichen Einstand. Er gewann alle 31 Sonderprüfungen mit einem Vorsprung von über 20 Minuten auf den Zweitplatzierten.

Eindrucksvoller hätte die Welt-Premiere des Audi quattro kaum sein können.
So freute sich Teamchef Walter Treser, man könne sich an kein Rallye-Debüt eines Autos erinnern, bei dem man alle Bestzeiten an Land gezogen und einen so eklatanten Vorsprung herausgefahren hatte.

1981 - Die Revolution

Der Audi quattro war schon bei seiner Premiere eine Sensation. Bis zu 30 Audi-Sport-Servicefahrzeuge waren bei der Premiere unterwegs, einige davon Straßen-Quattros als schnelle "Chase-Cars". Michele Mouton fiel zwar auf der Anfahrt zum Monte-Start mit verstopftem Tank aus, dafür dominierte Hannu Mikkola im Schnee der ersten sechs Sonderprüfungen und führte nach den ersten Additionen der geschockten Konkurrenz in Monaco mit über sechs Minuten. Die Allrad-Revolution hatte begonnen und war trotz aller Rückschläge (Mikkolas Unfall bei der Monte, die Disqualifikation aller drei quattros in Griechenland und diverse Kinderkrankheiten) nicht mehr aufzuhalten.

Nach der Akropolis-Rallye 1981 wurde Reinhard Rohde die Leitung von Audi-Sport übertragen, anstelle von Walter Treser. Es waren Fehler gemacht worden, unter denen Audis Ruf in der Öffentlichkeit gelitten hatte, und Treser musste dafür als Sündenbock herhalten.

Auch mit dabei, seit der ersten Stunde, ist Roland Gumpert. Er studierte Kfz-Elektrik und Maschinenbau in Graz/Österreich, bevor er 1969 zu Audi kam, arbeitete zunächst in der Entwicklungsabteilung, lieferte erstklassige Arbeit und war maßgeblich an der Entwicklung des Audi 80, Audi 50 und des VW Iltis beteiligt. Später wurde er Leiter der Versuchsabteilung für Fahrwerk und Aggregate und unterzog neue Audi-Modelle in der Sahara den obligatorischen Hitze- und Härtetests. Gumpert war 1979 Einsatzleiter beim Paris-Dakar-Einsatz mit dem Iltis, die mit den Platzierungen 1, 2, 4 erfolgreich beendet werden konnte. Er selbst wurde mit dem Reserve-Fahrzeug neunter. Im Herbst 1981 war Roland Gumpert Rohde bereits gleichgestellt und für die Technik der Einsatz-Quattros verantwortlich. Er fiel dadurch auf, dass er stets in "vorderster Front" zu finden war, wenn ein Quattro einen Servicepunkt anlief. Gumpert war sich für keine Arbeit zu schade und wenn man ihn traf, hatte er zumeist ölverschmierte Hände.

Tausend-Seen-Rallye in Finnland, und das übliche Bild: Ein Quattro in Führung. Nichts und niemand hätte Mikkola diesen Sieg nehmen können, aber es sollte halt noch nicht sein, es fehlte noch ein bisserl Lehrgeld in der großen Kasse. Das Wort des Tages war Tassenstössel. Zur Mitte des Bewerbs hörte Mikkola jenes Geräusch, das er schon vom Training her kannte. In der kurzen Zeit seither hatte man keine Lösung gefunden, aber man war immerhin vorbereitet, und da lagen auf einem sauberen Tischchen in hübscher Ordnung die blitzenden Instrumente und die feinsten Zylinderkopf-Innereien, und als der Quattro die Haube lüftete, tauchten vier Mann in die Tiefe des Motorraums, und ganz offensichtlich wussten sie, was sie taten. Mikkola hat, nach all den Jahren, den Durchblick eines abgeklärten Weisen, "Zwanzig Minuten", sagte er, "die Mechaniker haben zwanzig Minuten gesagt, also werden es vierzig sein". Das hat nichts mit Audi zu tun, das ist in jedem Team der Welt so. Als sich die vierzigste Minute näherte und der Zündzeitpunkt nicht so willig kam, wie er sollte, sagte Beifahrer Arne Hertz ganz ruhig zu den Mechanikern: "Entschuldigen Sie bitte, wenn wir in drei Minuten nicht fahren, sind wir disqualifiziert." Diese Ruhe, die skandinavische Fahrer in die Mannschaft bringen, ist schon was Feines. Nach 42 Minuten und Bitteschön-Dankeschön war Mikkola wieder dabei - an sechster Position. Im Ziel, nach ein paar sagenhaften Ritten, war er Dritter, und jeder bei Audi hatte das Gefühl: Jetzt lassen wir uns mit den Tassenstösseln was einfallen und dann reißen wir die Welt nieder.

Dementsprechend bringt jede Rallye neue Entwicklungsarbeit mit sich, und die augenfälligste Änderung an den Quattros in San Remo waren die Ölkühler in den mächtigen Heckspoilern, die das Auto noch wuchtiger aussehen ließen. Neben der Quattro-Revolution war der erste Sieg eines Damenteams bei einem Rallye-WM-Lauf ein weiterer Höhepunkt der Saison. Michele Mouton und Fabrizia Pons dominierten in San Remo mit einer rasanten Fahrt durch die Toskana und holten gleichzeitig für Audi den ersten großen Sieg in der Marken-Weltmeisterschaft. Moutons Aggressivität am Lenkrad, ihre fahrerischen Qualitäten und ihre Offenheit machten sie in einer von Männern dominierten Welt rasch zum Idol und Publikumsliebling. Michele Moutons Einbruch in die Männerwelt ging mit viel Gespött einher. Ihre Art, den brutalen Quattro zu zähmen, ließ jedoch alles vorschnelle Gerede verstummen. Michele Mouton, ihre italienische Beifahrerin Fabrizia Pons und der Audi Quattro blieben ungefährdet und geben Anlass zu einigen Eintragungen in die Chronik dieses Sports: Erster Sieg einer Frau in einem WM-Lauf, erster Sieg eines Audi in einem Marken-WM-Lauf, auch erster Sieg eines Tausendfüßlers. Wer ein bisschen Pathos verträgt, könnte auch sagen: Reizende Durchführung einer Großen Idee.

Audi nutzte die wachsende Popularität des Rallyesports, um ein neues Modell - vielmehr eine Botschaft - unters Volk zu bringen. Der Urquattro war mit den neuesten Technologien ausgestattet. Der Allradantrieb und der Turbomotor waren die plakativsten Errungenschaften, die das relativ hohe Gewicht und die Schwerfälligkeit des Autos weitgehend kompensierten. Früher oder später würden die anderen Hersteller diesem Beispiel folgen müssen.

1982 - Die Durchsetzung

Audi kehrte mit Mouton und Mikkola zurück, einzelne Gastspiele von Stig Blomqvist, Franz Wittmann und Michele Cinotto verstärken das Team. Nachdem die Quattros nun auch die nötige Zuverlässigkeit mitbrachten, konnte sie niemand mehr am Gewinn der Marken-WM hindern. Sechs der zehn möglichen Siege gingen an Audi. 

Walter Röhrl, der zu diesem Zeitpunkt noch für Opel fuhr, war zu dieser Zeit aber schon der beste PR-Agent Audis. Als Mensch, der sich dauernd den Kopf zerbricht und auch mit der Theorie des Sports beschäftigt, war ihm der Allrad-Vorteil auf derart überwältigende Weise deutlich, dass er oft darüber sprach, auch öffentlich. Er hatte schon immer ein Talent, sich durch griffige Wortbilder zu artikulieren, und als er einem Journalisten die riesige Kluft zwischen Quattro und den anderen plastisch darstellen wollte, sagte er: "In den Quattro könntest du einen dressierten Affen reinsetzten." Der Spruch wurde nicht im reinen Geist des Erfinders interpretiert, sondern so umgedreht, als säßen eben in den Quattros nur dressierte Affen. Da zu jener Zeit Michele Mouton am erfolgreichsten von allen war, glaubte mancher, Walter rede von Affen und denke an Frauen, und im Handumdrehen stand Röhrl als Erz-Chauvi und Frauenhasser da. Der Klarheit halber hier die ganze Geschichte von Walter Röhrl: "Vor der Akropolis-Rallye wollte mal Werner Grissmann, der Skirennläufer, bei mir mitfahren. Also sind wir beide vom Hotel rausgefahren nach Ailiki Beach, da gab es eine Prüfung bergauf, jede Menge Kehren, die Straße war wunderbar glatt. Also sind wir raufgetobt wie die Mörder, und oben sagte Werner: "Walter, wer will hier schneller fahren als du?" Ich antwortete: "Nimm einen Audi, setz' einen dressierten Affen rein, der fährt hier um Welten schneller als ich." Es  war die Wut in meinem Kopf, die nicht wahrhaben wollte, dass du im Motorsport halt von deinem Gerät abhängig bist."

Walter Röhrl auf Opel Ascona 400 holte bei der Monte auf fast völlig trockenen Strassen den Gesamtsieg, während Moutons Audi im Dörfchen Brianconnet an einer Hausmauer klebte. Die Französin revanchierte sich postwendend mit Siegen in Portugal (Franz Wittmann wird dritter), Griechenland und Brasilien. Es gelang ihr aber nicht, in der Fahrerwertung davonzuziehen. Röhrl fuhr regelmäßig auf den zweiten oder dritten Platz und blieb Mouton stets auf den Fersen. Also kam es an der Elfenbeinküste zum entscheidenden Duell.

Am Abend vor dem Start erfuhr Mouton vom Tod ihres Vaters, der ihre Karriere sehr gefördert hatte. Sie behielt die traurige Nachricht für sich und beschloss in aller Stille, ihrem Vater, wenn möglich, den Weltmeistertitel zu widmen. Sie übernahm bei der Rallye sofort das Kommando und zog davon.  Nun spielte vieles zusammen: Als erstes wohl die brutale Härte dieser Rallye mit Solldurchschnitten von über 100 km/h auf miesesten Straßen, was bedeutet, sich auf den etwas besseren Stücken dauernd im Bereich von 200 zu bewegen, jeder Art von afrikanischer Überraschung ausgeliefert. Nach einem unnötigen Getriebewechsel, auf den Michele bestanden hatte, entdeckte man einen Fehler im Zusammenbau, der die Kupplung nicht funktionieren ließ. Am nächsten (nahen) Service hätte man wieder Zeit in Händen gehabt, aber Michele war nicht bereit, ohne Kupplung wegzufahren (normalerweise kein Problem für einen geübten Fahrer). Also nochmals Ausbau, Einbau. Im Ziel der dritten Hauptetappe war Moutons Vorsprung auf Röhrl, der vorher noch anderthalb Stunden betragen hatte, auf 18 Minuten zusammengeschmolzen. Noch immer kein Problem - was sollte denn auf diesen 645 km bis Abidjan noch passieren? Im Vergleich zu den bisherigen 3.400 Kilometern war das nur noch Formsache. Am nächsten Morgen wollte der Quattro nimmer anspringen. Durch die Tropenfeuchtigkeit war die Einspritzanlage angerostet, sie musste gewechselt werden. Noch immer kein Problem, was den Sieg betraf, aber Michele hatte nun das Gefühl, auf Teufel komm raus fahren zu müssen und überschlug sich in einer hinterfotzigen Kurve. Selbst das wäre noch zu verkraften gewesen, denn der Wagen lief wieder, bloß hatte Fabrizia während des Überschlags ihr Gebetbuch verloren. Nachträglich betrachtet, hätte Michele bloß im Touristentempo nach Abidjan fahren müssen, denn auch ein zweiter Platz hätte ihr für den Weltmeistertitel genügt, und sie hatte noch immer anderthalb Stunden Vorsprung auf den Dritten. Aber es war natürlich nicht die richtige Zeit für kühle, nüchterne Gedanken, alles spielte sich in überhitzter, fiebriger Atmosphäre ab, Michele hetzte weiter, ohne Gebetbuch, und flog nocheinmal von der Straße, diesmal ordentlich. Noch immer gab's eine Chance: Gumpert und Blomqvist waren zur Stelle, bald darauf weitere Mechaniker, man wechselte Hilfsrahmen, Querlenker, Schwenklager (so nennt Audi die Federbeine), noch immer war der Zweite Platz drin, wenn Michele es bloß innerhalb der Toleranz bis zur nächsten Zeitkontrolle schaffen würde. Fünf Minuten vor der errechneten Zeit ist der Wagen fertig, die Mädchen steigen ein, fahren los, die Mechaniker fallen in die Arme. Nach einer Minute meldet sich Michele im Funk: "Auto steht." Die Männer rasen hin. Ein Federbein blockiert, ein verbogenes Dämpferrohr hatte dazu geführt. Der Schaden war vorher nicht zu sehen gewesen. Das Wechseln des Federbeines hätte zehn Minuten gedauert, genau fünf Minuten zu lang für die Zeittoleranz, für den zweiten Platz an der Elfenbeinküste und für den Weltmeistertitel der Rallyefahrer 1982.

1983 - Eine ganz harte Saison

1983 trat Audi als regierender Weltmeister und Titelverteidiger an. Längst hätte sich der Sieg der Quattro-Idee auch schon im übergeordneten Sinn herausgestellt. In den Entwicklungsabteilungen fast aller Autowerke wurde an Allrad-Pkws gearbeitet, und der internationale Rallyesport stand unter Druck, auf Audi reagieren, sich irgendetwas einfallen lassen zu müssen. Die Italiener beherrschten mit dem Lancia 037 rally, einer optimalen Zwischenlösung mit Kompressor-Mittelmotor und Heckantrieb, sowohl Monte Carlo durch Röhrl, als auch Korsika durch Alen. Die Audi-Techniker arbeiteten fieberhaft, um auf die neue Konkurrenz zu reagieren und homologierten eine leichtere und mit 400 PS auch stärkere Version des Quattros. Die neue Waffe steckte zwar voller Innovationen, litt aber unter zu kurzen Entwicklungs- und Testzeiten. Das führte zu Totalausfällen in Griechenland (Ölkühlerschlauch aufgrund gebrochenen Heckklappenscharniers durchgescheuert) und Neuseeland. Audi siegte in Argentinien und Finnland, doch bei der San Remo-Rallye - eigentlich eines der bevorzugten Terrains des Audis - geriet der Fahrplan ins Stocken, und Lancia schenkte dem heimischen Publikum einen Sieg.

Bei der RAC Rallye in Großbritannien hatte Michele Mouton wieder mal Wasser im Sprit, und das schlägt sich bei jedermann auf die Nerven. Das Phänomen ist gar nicht so selten, weil große Rallyes die Tankstellen einer ganzen Region aussaugen, und damit oft auch den Tanksumpf, der eigentlich nicht angezapft werden dürfte - eben weil er zum Sammelbecken für Dreck und Wasser wird. Audi und Michele haben entsprechend böse Erfahrungen von Monte Carlo 1981, daraufhin wurden strenge Maßnahmen getroffen, etwa: Rallyeautos werden nur über einen Lederfilter betankt (das feinporige Material lässt nur Sprit, aber kein Wasser durch). Nachteil: Es dauert ewig. Dann verwendete man feinmaschige Drahtgitter im Trichter, aber das ist nur sinnvoll, wenn dauernd einer beobachtet ob sich dickere Wasserperlen bilden. Die Routine schwemmt im Lauf der Zeit die guten Bräuche weg, - und wieder einmal Wasser rein in den Tank. Das gibt natürlich ein Riesentheater: In den Tank wird ein Loch geschlagen, dann rinnen 80 Liter Sprit in den Kofferraum, dann wird der Kofferraum angebohrt, und 80 Liter gehen in den, wollen wir's Abfluss nennen. Den Mädchen blieb furchtbarer Gestank und das Gefühl, in einer rollenden Bombe zu sitzen, und man darf sagen, dass sie ihre Nerven in hohen Bogen wegschmissen - was ihnen niemand übel nahm, aber das Zwischenmenschliche des Teams war in Explosionsgefahr. Trotzdem fuhr Michele unglaublich stark, lag eine Zeit lang an zweiter Stelle, aber es wurde ihr alles zuviel und sie flog dreimal hintereinander hinaus und beim drittenmal machte sie gar keinen Versuch mehr, den Wagen wieder auf die Straße zu bringen. Überdies eckte Hannu Mikkola an einem Holzstoß an, schlug sich die Radaufhängung ab und fuhr als Dreiradler ins Sonderprüfungsziel, wobei er Beifahrer Arne Hertz ersuchte, zwecks Entlastung der radlosen Ecke für den Rest des Weges auf dem Heck des Wagens Platz zu nehmen. Quattro-Beifahrer tun das hin und wieder, und die Zuschauer sind dann immer sehr, sehr glücklich.

Hannu Mikkola war der erste Fahrer, der den neuen Audi Quattro austestete und sein Potential erkannte. 1983 erntete er dafür den Lohn. Er wurde endlich Fahrer-Weltmeister und gewann zum siebenten Mal die 1000 Seen Rallye. Der Titel war ein schwacher Trost für das Audi-Team, das der schwerfälligen Organisation und dem blinden Vertrauen in die Technik zum Opfer gefallen war. Der Mythos deutscher Gründlichkeit, Disziplin und Organisation hatte einen Kratzer abbekommen.

1984 - Die Doppel-Weltmeisterschaft

Es schien, als habe der Wechsel zum neuen Sponsor, zu den gelb-weißen Farben des Zigarettenherstellers HB neben dem bekannten Audi-Dekor, eine anhaltende Glückssträhne eingeläutet. Denn bei den ersten drei Veranstaltungen der 1984er WM dominierten die starken Audi quattro A2 in eindrucksvoller Weise. In Monte Carlo überzeugte Walter Röhrl bei seinem allerersten Audi-Quattro-Einsatz mit einem märchenhaften Sieg. Stig Blomqvist und Hannu Mikkola belegten die Plätze zwei und drei.

Als Stig Blomqvist und Walter Röhrl nun erstmals im gleichen Team und mit gleichen Autos aufeinander trafen, sah die Welt sehr blomqvistig aus. Schnee und Schnee und nochmals Schnee und ein ordentlicher Sturm, der alles verwehte. Es war wie Mitte der sechziger Jahre, als im Winter noch Winter war uns es Schneewechten gab, die so hoch waren wie ein Mini Cooper. Die Zweiradler standen richtig im Weg herum: Als Stig Blomqvist mit Startnummer 7 auf die Chartreuse stürmte, schnupfte er einen Lancia auf, quetschte sich dann an einem Porsche vorbei und hatte gleich darauf einen Nissan-Kofferraum vor sich. "Scheißverkehr", sagte Stig im Ziel, "was ist denn hier los?" Röhrl, mit Startnummer eins, hatte andere Probleme: Zuschauer, die mitsamt ihren Picknickkörben noch mitten auf der Straße wanderten und das Turbo-Fauchen, gedämpft durch den Schnee, erst im letzten Moment hörten. Und dann war er natürlich der Schneepflug, der Vorläufer. Was dann folgte, ist damals von den Medien mit allen Superlativen belegt worden, die sich aus den tiefsten Reserven der Sprache herauskramen lassen, von "Legende" bis "überirdisch". Als der Wahnsinn vorbei war und sie von den Bergen runterströmten nach Monte Carlo, wurde Christian Geistdörfer förmlich und sagte seinem Chef, dass er ihm gratuliere zur großartigsten Leistung seines Lebens. Was war tatsächlich passiert? Röhrl hatte Blomqvist sechsmal hintereinander geschlagen. Er muss dabei in Bereiche vorgedrungen sein, die mit Autofahren nichts mehr zu tun haben. Je ärger das Eis, umso klarer sein Vorsprung auf Stig, zwar immer nur ein paar Sekunden, aber man mag ja ahnen, was sich abspielte, wenn Stig Blomqvist, König von Eis und Schnee, Linksbremser seit dem Kindergarten, die volle Musik machte.

Zur Korsika Rallye wird erstmals der kurze Sport Quattro eingesetzt. Kaum stand er auf seinen dicken Michelins, schlief dem Walter Röhrl das Gesicht ein: "Der Hund hat was". Keine Frage, er hatte was. Die Probefahrten, stellte sich später raus, waren zu kurz (oder zu kalt) gewesen, um einen banalen Blödsinn zu entlarven: Der Thermostat klemmte in seiner inneren Führung, öffnete nicht. Und wenn Walter sagte, ich glaub, der Hund ist sauer, klopften sie ihm auf die Schulter und sagten: Du machst das schon, Walter, du bist ein guter Mann. Wie auch immer, der erste Renneinsatz des 450 PS-Audi-Motors spielte sich so ab: Phantastische Temperaturen schon nach fünf Kilometern der ersten Sonderprüfung, Wasser am Anschlag (118 Grad, danach wird abgeblasen), Öl auf 160. Im Ziel der Sonderprüfung brauchten Walter und Christian ärztliche Behandlung, sie hatten heiße Öldämpfe inhaliert und fühlten sich wie vergiftet. Vier Liter Wasser wurden nachgekippt, da war eigentlich eh schon alles klar. Man fummelte da und dort herum, baute auch den Thermostat aus, entdeckte den Hund - aber da hatte der Motor schon längst einen Stich. Walter blieb ganz locker, gurkte herum, so gut es ging, machte achte, neunte, zehnte Plätze, sogar einen sechsten, und war rasch aus den Gurten als der Kübel dann endlich brannte, und Christian musste nicht lang nachdenken, wo der Feuerlöscher war, es kam ja nicht überraschend. Öl, nunmehr sprudelnd wie am persischen Golf, hatte sich entzündet und den reichlich vorhandenen Kunststoff zu fressen gekriegt, das sah alles toll aus, und die kommenden Autos kämpften sich durch Wolken von Dampf und Rauch.

Bei der Akropolis Rallye gab es wieder einen schönen Audi-Doppelsieg mit Blomqvist und Mikkola, alle beide fuhren den alten, langen Quattro. Bei der Safari Rallye wird Hannu Mikkola dritter, und der Österreicher Franz Wittmann beendet diesen Ostermarathon auf dem hervorragendem achtem Gesamtplatz. 

Audi holte den Marken-Titel nach Ingolstadt zurück und feierte gleich den Doppelsieg. Obwohl 1984 schon im Zeichen des Kurzen stand, war es doch der Ur-Quattro, der die wesentlichen Siege für die Weltmeisterschaft holte. Stig Blomqvist wurde mit den meisten Siegen eines einzelnen Fahrers in einer Saison Weltmeister (Schweden, Griechenland, Neuseeland, Argentinien und Elfenbeinküste). Die Welt gehörte Stig, doch eine neue Bedrohung durch den Peugeot 205 T16 zeichnete sich ab.

Stig Blomqvist verdankte seinen Fahrertitel in dieser Saison zum Teil seinem eigenwilligen Beharren, weiter mit dem "langen" Quattro zu fahren, anstatt dem kürzeren, theoretisch besseren Modell. Die Tatsache gab ihm Recht, dass der neue Audi Sport Quattro dem Erfolg hinterherfahren musste, weil Audis "Vorsprung durch Technik" angesichts der "Rennwagen" von Peugeot und Lancia abgebröckelt war.  Der Sport Quattro geriet zu einem Flop. Riesenklimmzüge und viel Geld konnten ihn nicht konkurrenzfähig machen. Nur einen einzigen Rallye-WM-Sieg auf der Elfenbeinküste konnte er feiern.

1985 - An die Grenzen des Möglichen

1985 war jenes Jahr, in dem die Motorleistungen auszuufern begannen. Bei seiner Geburt verfügte der Peugeot über etwa 330 PS, 12 Monate später fielen im 205 Turbo 16 Evolution 2 schon 400 PS an. Der Lancia Delta S4 brachte 450 PS ins Spiel und der Quattro S1 überschritt bereits die 500 PS-Schallmauer. Die Maßlosigkeit übernahm das Kommando, aber dieser Zustand konnte in der freien Wildbahn nicht lange andauern.

Im Vergleich zu den Mittelmotorautos sah der Audi Sport Quattro S1 eher wie eine unhandliche Maschine aus, aber er war der stärkste der Gruppe-B-Boliden. Der S1 war ein Ungetüm. Ein Journalist schrieb, er sei so hässlich, dass er schon wieder gut sei. Den Fahrern war's egal, denn die Verbesserungen waren so dramatisch, dass Schönheit wirklich kein Thema war. Diesem Auto sah man an, dass es an der Grenze der Physik lebte. Und wie! Man stelle sich vor: 3,1 Sekunden für Null auf Hundert, das ist praktisch ein Formel-1-Wert. Weiterentwicklungen im Allrad- und Getriebebereich ermöglichten es den Fahrern, trotz der ungünstigen Gewichtsverteilung das Potential des Autos voll auszuschöpfen. Audi war zu dieser Zeit der einzige Hersteller in der Rallye-WM, der seinem aus der Serie abgeleitetem Frontmotor-Konzept treu blieb. Alle anderen hatten ihren Fuhrpark bereits auf Mittelmotor umgestellt.

Es gibt kaum etwas schöneres als die Rallye San Remo in der Toskana an einem sonnigen Herbsttag. Walter Röhrl und Christian Geistdörfer vollbrachten das Kunststück, in solch paradiesischer Umgebung endlich den verdienten Sieg mit dem Audi Sport Quattro S1 zu erringen. Als aber der langjährige Teamchef und Chefingenieur Roland Gumpert Ende 1985 das Team verließ, waren Audis Sternstunden so gut wie vorbei.

1986 - Der Ausstieg

Die gesamte Saison wurde von Krisen aller Art erschüttert, die leider allzu oft das sportliche Geschehen überschatteten. In Portugal raste der Lokalheld Joaquim Santos mit seinem RS200 in die Zuschauermenge. Bei diesem Unfall starben drei Personen, dreißig weitere wurden verletzt. Aus Protest gegen die fehlenden Sicherheitsmaßnahmen traten die Werksfahrer daraufhin in einen Streik und verweigerten die Weiterfahrt. Auf Korsika lagen Henri Toivonen und Beifahrer Sergio Cresto zwei Monate später überlegen in Führung, als ihr Delta S4 von der Straße abkam und wie eine Bombe explodierte. Beide Fahrer kamen in den Flammen ums Leben. FISA-Präsident Jean-Marie Balestre beschloss, die Gruppe B zum Saisonende zu verbieten.

Unter dem Eindruck dieser Ereignisse erklärte Audi im Mai 1986 den Rücktritt vom Rallyesport: Die Ingolstädter erklärten, mit diesem Schritt ein deutliches Zeichen setzen zu wollen, damit die Sicherheit an den Rallyestrecken verbessert würde. Ein wenig fadenscheinig wirkt diese Argumentation indes schon: Der Quattro hatte im Duell der Giganten längst den Anschluss verloren.

Der geheime Quattro-Mittelmotorprototyp

Parallel zur Optimierung des S1 hatte Audi übrigens die Entwicklung eines völlig neuen Autos, mit variablem Allradantrieb und Mittelmotor, betrieben. Da dieses Layout jedoch in einem krassen Gegensatz zur propagierten Philosophie der Seriennähe stand, wurde das Projekt zunächst "streng geheim" behandelt.

Zu einer unfreiwilligen "Welt-Uraufführung" kam es jedoch, als die Audi-Truppe im März 1985 bei "geheimen" Tests in der Steiermark/Österreich erwischt wurde. Der Fotograf einer Grazer Zeitung betätigte sich via Teleobjektiv als Heckenschütze und schoss gleich ganze Serien des Erlkönigs. Bühnenreif wurde der ohnehin peinliche Auftritt, als Audis Sport-Regie versuchte, die Fotos "um jeden Preis" exklusiv anzukaufen. Der Fotograf blieb jedoch standhaft, die Fotos erschienen in allen Fachblättern und den führenden Tageszeitungen.

Passend zu diesem Thema auch unsere Story "Das Ende des Phantoms".